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FSV Gütersloh 2009

Hedda Wahle im Porträt: Erfolgreiche Punktejägerin auf allen Ebenen

Wir haben was gegen Rassismus. Fußball verein(t) gegen Rassismus. (© Deutscher Fußball-Bund)

Da dürfte sich manch einer die Augen gerieben haben: Als im September 2022 das Star-Ensemble des VfL Wolfsburg zum Zweitrundenspiel im DFB-Pokal beim FSV Gütersloh auflief, trat mit Hedda Wahle ein 17-jähriger Youngster in der Innenverteidigung des FSV gegen die damals 31-jährige Ikone Alexandra Popp im Wolfsburger Angriff an. Mit respektvoller Unbekümmertheit und einer erstaunlichen Coolness trug Wahle – gerade erst aus der U17 ins Gütersloher Zweitligateam aufgerückt – dazu bei, dass der Underdog bei einer 1:0-Führung und beim 2:3-Anschlusstreffer leicht von einer Sensation träumen durfte, bevor sich der Top-Favorit am Ende mit 8:2 durchsetzte.

Zur eigenen Überraschung war Wahle („Damit hatte ich zu null Prozent gerechnet“) schon beim Ligastart zwei Wochen zuvor an der Seite von Anna Höfker für die verantwortungsvolle Position in der Abwehrkette nominiert worden. Und sie rechtfertigte das Vertrauen des Trainerteams auch in den weiteren Meisterschaftspartien, bis sie Ende November am 9. Spieltag in München erstmals fehlte. Später wurde Pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert, doch trotz Schonung hielt ihre relative Schlappheit länger an als die zwei bis drei Wochen bei normalem Krankheitsverlauf. „Ich habe mich in der Wintervorbereitung lange nicht so fit gefühlt wie im Sommer. Und selbst im April habe ich gemerkt, dass mein Körper noch geschwächt ist.“ So fehlte sie auch Anfang dieses Monats beim direkten Aufstiegsduell in Nürnberg, das der FSV mit 0:2 verlor. Dennoch standen am Saisonende 21 Zweitligaspiele für Hedda Wahle zu Buche. Ihren ersten Treffer hatte sie am 30. Oktober bei der 1:2-Niederlage in Ingolstadt erzielt.

Auch wenn ihrer Fußballsaison mit Platz drei hinter den Aufsteigern Leipzig und Nürnberg das erhoffte Happyend fehlte, endete für Hedda Wahle im Sommer ein anderer Abschnitt mit maximalem Erfolg. Sie schloss die Schulzeit am Mindener Ratsgymnasium mit der bestmöglichen Abiturnote ab, also 1,0. „Das war mein Ziel, denn ich habe schon seit langem vor, Medizin zu studieren.“ Weil sie in der Prüfung in den Leistungskursen Biologie und Englisch, dem dritten Fach Deutsch und dem mündlichen Fach Geschichte nahezu die optimale Punktzahl holte, kam sie insgesamt auf unglaubliche 868 Punkte, was nach alter Rechnung sogar einer Abiturnote von 0,8 entspricht. Ist sie eine Streberin? „Eigentlich nicht“, sagt Hedda Wahle und verweist darauf, dass sie wegen ihres Fußball-Engagements eher wenig Zeit zum Lernen hatte. Sie hat aber in anderer Hinsicht vom Leistungssport profitiert: „Man lernt, sich zeitlich zu organisieren und mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel zu erreichen.“

Der Aufwand, den sie für ihren geliebten Fußballsport betrieb, der letztlich gegenüber dem ebenfalls aussichtsreich betriebenen Tennis die Oberhand gewann, war beträchtlich. Als sie 2018 als 13-Jährige vom SV Kutenhausen-Todtenhausen zum FSV Gütersloh wechselte, war das „auch wegen der Fahrerei eine schwierige Entscheidung.“ In zwei U16-Spielzeiten legte sie die Strecke von Minden bis Rheda mit dem Zug zurück. In den beiden U17-Jahren, die von Corona geprägt waren, und bis zu ihrem 18. Geburtstag im Februar 2023 fungierte ihre Mutter Sandra mehrmals pro Woche als Chauffeurin. Interessant, dass sich Hedda Wahle bei den Juniorinnen jeweils erst im zweiten Jahr so richtig durchsetzte. Ein Angebot vom Mädchenfußball-Internat des FLVW in Kaiserau kam ebenso wenig wie eine Berufung in ein DFB-Nachwuchsteam. „Ich war eher im unteren Drittel und eine unauffällige Spielerin“, beurteilt sie ihren früheren Status. Beim FSV aber fiel das Talent sehr wohl auf. Unter Trainer Christian Franz-Pohlmann bestritt sie im zweiten U17-Jahr als zweite Kapitänin alle 22 Bundesligaspiele, wurde mit dem Team Meister der Staffel West/Südwest und verpasste nur knapp den Einzug ins DM-Finale. Folgerichtig feierte sie schon vorher, im April 2022, beim 0:4 gegen Ingolstadt als Einwechselspielerin ihr Debüt im Frauen-Zweitligateam.

Dort ist sie, deren Stärken die Schusstechnik und ihre Pässe sind („Manchmal könnte ich allerdings noch ruhiger spielen“) auch in der aktuellen Saison gesetzt. „Ich bin auf vielen Positionen einsetzbar“, kennt sie ihren Wert, will den Trainern aber natürlich nicht vorschreiben, welche Aufgabe ihr übertragen wird. Beim 2:0-Auftaktsieg über Frankfurt, den wie immer auch ihr Vater Thomas und ihr Opa in der Tönnies-Arena verfolgte, fand sie sich auf der Position 8 wieder, was ihr gefiel: „Ich bin ja eine gelernte Offensivspielerin, und im Mittelfeld habe ich mehr Freiheiten.“ Beim folgenden 4:2-Erfolg in Weinberg, wo sie wie immer mit Ronja Leubner das Zimmer teilte, rutschte sie im Spielverlauf wieder in die Innenverteidigung, bevor sie ausgewechselt wurde.

Dass Hedda Wahle weiter beim FSV Gütersloh spielt, hat auch mit ihren Studienplänen zu tun. Trotz des herausragenden Abiturs, das sie im Juni zusammen mit ihrer Mutter mit einem 6-Tage-Trip nach New York feierte, erhielt sie keinen Medizin-Studienplatz in Münster. Zwar gab es andere Möglichkeiten, etwa an der Charité in Berlin oder in Erlangen, doch so weit weg von daheim und vom FSV Gütersloh („Der Verein ist für mich auch Familie“) wollte sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Geplant ist nun, zunächst das obligatorische 90-Tage-Pflegepraktikum am Innenstadt-Klinikum in Minden zu absolvieren und dann 2024 mit dem Studium zu beginnen. „Der menschliche Körper hat mich immer fasziniert“, sagt sie. Ihr besonderes Interesse gilt der Neurochirurgie, also etwa Operationen am Gehirn: „Ich könnte mir auch vorstellen, in die Forschung zu gehen.“

Auf ambitionierten Fußball zu verzichten, kommt trotz der Herausforderungen eines anspruchsvollen Studiums vorerst nicht in Frage: „Fußball hat mich mein Leben lang begleitet, und meine besten Freundschaften sind über den Fußball entstanden. Ich will beides bestmöglich kombinieren.“ Ist die Bundesliga ein Ziel für Hedda Wahle? Ausschließen will sie das nicht, aber sie ist bei allem Ehrgeiz rational genug, dem nicht alles unterzuordnen. Nachdenklich gemacht hat sie auch die Erkrankung in der letzten Saison: „Da habe ich gemerkt, wie schnell einem alles genommen werden kann.“

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