Dass im letzten Heimspiel des FSV Gütersloh in dieser Saison viele Tränen flossen, lag nicht an der 1:3-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg. Viel mehr endete für das gut 500 Zuschauer große Publikum in der Tönnies-Arena eine Ära von 21 Jahren, in denen Gütersloher Fußballerinnen zum Inventar der 2. Bundesliga gehörten. Kein anderer deutscher Verein hat mehr Spiele im Unterhaus bestritten als der 2009 selbständig gewordene Frauensportverein. Die meisten Spielerinnen werden den Verein nach dem bereits seit einer Woche feststehenden Abstieg in die Regionalliga verlassen. Transparente in der Arena huldigten etwa der „Legende“ Melanie Schuster, die seit 2012 ununterbrochen für den FSV aktiv war, oder der 2016 nach Gütersloh gekommenen Torhüterin Sarah Rolle. Auf Wunsch der Spielerinnen, die um eine Verabschiedung in einem internen Rahmen gebeten hatten, verzichtete der Verein auf die übliche öffentliche „Zeremonie“. Nicht nehmen ließen sich die Verantwortlichen indes, Shpresa Aradini auf großer Bühne zu würdigen. Die 30-Jährige trug die Hälfte ihres Lebens und in über 260 Pflichtspielen das FSV-Trikot. Gerade wieder genesen von ihrem zweiten Kreuzbandriss durfte die Stürmerin das Team am Sonntag gegen Nürnberg als Kapitänin aufs Feld führen. Nachdem sich das gesamte Team bereits in roten Shirts mit ihrer Rückennummer 17 aufgewärmt hatte, würdigten Sprecher Wolfgang Temme und Geschäftsführer Michael Horstkötter die Verdienste von „Shpre“ und überreichten ihr unter Tränen ein weißes FSV-Trikot mit Namenszug. Und als Aradini in der 56. Minute ausgewechselt wurde, bildete das gesamte Team unter dem Applaus der Zuschauer ein Spalier. „Danke für eine supergeile Zeit“, sagte die Angreiferin, die wegen ihrer erstklassigen Leistung, aber über all die Jahre auch als Kämpferherz und Stimmungskanone eine Führungsfigur und ein Vorbild war. „Die Leidenschaft, die ich mit reingebracht habe, habe ich auch euch zu verdanken“, sagte sie nach dem Schlusspfiff im Mannschaftskreis.
Zum Abschied besonders herzlich umarmt wurde die mit albanischen Wurzeln in Wadersloh aufgewachsene Shpresa Aradini schon auf dem Platz von der Nürnbergerin Medina Desic. Die montenegrinische Nationalspielerin hatte den „Club“ unmittelbar vor Aradinis Auswechslung mit 2:1 wieder in Führung geschossen, nachdem sie bereits in der 15. Minute das 0:1 erzielt hatte. Der Bundesliga-Aufsteiger, angefeuert vom trommelnden und Fahnen schwenkenden Fanclub auf der Tribüne, sah sich in der ersten Halbzeit einem Tabellenletzten gegenüber, der sich durchaus als wehrhaft erwies. Die Taktik von Markus Graskamp und Christopher Hankemeier, die hinteren Räume mit einer 5-4-1-Formation zu verdichten, die Nürnbergerinnen erst jenseits der Mittellinie zu bekämpfen und dann offensive Nadelstiche zu setzen, ging recht gut auf. Die erstmals von Beginn an spielenden Hanna Krohne und Julia Gärtner kamen mehrfach aussichtsreich in den FCN-Strafraum. Den 1:1-Ausgleich in der 26. Minute erzielte allerdings Defensivakteurin Lea Bultmann. Sie war passend in einen Diagonalball von Rechtsverteidigerin Nele Schmidt gestartet, dann aber im Eins-gegen-Eins an Torhüterin Hannah Etzold gescheitert. Der hoch abprallende Ball landete jedoch wieder bei Bultmann, die ihn aus zehn Metern im Nürnberger Tor versenkte. Die Partie ging mit unentschiedenem Zwischenstand in die Halbzeitpause, weil Sarah Rolle, die zum Abschied noch einen Einsatz erhielt, in der 36. Minute ganz stark gegen Julia Pollak rettete.
„Rollo“ war auch zu Beginn der zweiten Halbzeit zweimal auf dem Posten, doch das 1:2 durch die erneut schön freigepasste Medina Desic in der 55. Minute konnte die 25-Jährige nicht verhindern. „Schade, der zweiten Gegentreffer kam zu früh“, bedauerte Markus Graskamp. Der Cheftrainer musste dann erleben, dass sein Team, in das nun U19-Nationalspielerin Merle Hokamp und Lucy Wisniewski eingewechselt wurden, keine wirkliche Chance mehr auf den erneuten Ausgleich bekam. Auf der anderen Seite traf Meret Günster noch zum 1:3 (68.), aber mehr ließ der FSV nicht zu. Auch die in der 80. Minute für den 1. FC Nürnberg ins Spiel gebrachte Ex-Gütersloherin Jacqueline Baumgärtel kam zu keinem Abschluss. „Wir haben es Nürnberg so schwer wie möglich gemacht – das war unser Ziel“, sagte Markus Graskamp und rief seinen Spielerinnen zu: „Obwohl wir verloren haben, brauchen wir heute nicht enttäuscht zu sein.“
Die letzte Chance, die rote Laterne noch abzugeben und gleichzeitig in das Titelrennen einzugreifen, hat der FSV Gütersloh am kommenden Sonntag in Berlin. Die Partie beim Spitzenreiter 1. FC Union findet im Stadion an der Alten Försterei vor einer Kulisse von wahrscheinlich über 20.000 Zuschauern statt.
FSV Gütersloh: Rolle – Schmidt (75. Pagel), Tappe, Tellenbröker, Stojan, Kappmeier – Krohne (56. Hokamp), Leubner (78. Weber), Bultmann (74. Bultmann), Gärtner – Aradini (56. Wisniewski). Im Aufgebot: Kilic, Zitzer, Krumme (Tw).
1. FC Nürnberg: Etzold – Senelius (80. Baumgärtel), Mailbeck (39. Günster), Fröhlich – Salfelder (40. Meroni), Guttenberger, Brengel, Pollak (60. Brunmair) – Scholz, Desic (79. Felix), Lein. Im Aufgebot: Kerim-Lindland, Icier (Tw).
Schiedsrichterin: Antonia Tucholski (Bremen); Gelbe Karten: Wisniewski – Senelius.
Zuschauer: 530.
Ecken: 1:6 (1:2); Chancen: 2:5 (2:2).
Tore: 0:1 (15.) Desic, 1:1 (26.) Bultmann, 1:2 (55.) Desic, 1:3 (68.) Günster.