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FSV U17-Trainer Christian Franz-Pohlmann: Es könnte passieren, dass der Faden reißt

Wir haben was gegen Rassismus. Fußball verein(t) gegen Rassismus. (© Deutscher Fußball-Bund)

Unsere U17 startet an diesem Wochenende mit einem Heimspiel gegen den 1. FFC Kaiserslautern in neue Saison der Bundesliga West/Südwest. Es wird die letzte Runde auf dieser Ebene sein, denn der DFB schafft seine höchste Spielklasse für Juniorinnen ab. Schon bei der Gründung im Jahr 2012 war Christian Franz-Pohlmann („CFP“) Nachwuchstrainer des FSV Gütersloh. Jetzt ist er es seit 2019 mit großem Erfolg wieder, nachdem er vorher beim FSV in der 2. Liga sowie bei den Bundesligisten FF USV Jena und MSV Duisburg im Frauenbereich tätig war. Wolfgang Temme erfragte von dem 43-Jährigen seinen Standpunkt zur Abschaffung der Bundesliga und zur Talentförderung im DFB. An einer Stelle wurde Christian Franz-Pohlmann emotional.

Hat dich das frühe Ausscheiden der deutschen Frauen bei der WM überrascht?
CFP: Mich hat überrascht, dass man mit dem nach außen getragenen Selbstverständnis angetreten ist, ein Titelkandidat zu sein. Dafür war die Vorbereitung nicht gut genug gelaufen. Die Niederlagen gegen Teams, die nicht mal der zweiten, sondern der dritten Reihe zuzuordnen sind, hätten ein Warnschuss sein müssen. Vermutlich war der Anspruch zu hoch.

Läuft im Leistungsbereich etwas falsch im deutschen Frauenfußball, muss man sich Sorgen um die Zukunft machen?
CFP: Sorgen muss man sich nicht machen, aber man sollte einige Dinge hinterfragen. Die Sprünge von der U17 zu den beiden höchsten Frauen-Spielklassen und von der 2. Bundesliga in die Bundesliga sind zu groß. Wir haben uns in Deutschland von den früheren Erfolgen blenden lassen und die Selbstreflexion etwas verpasst. Bei der Entwicklung, die seit einiger Zeit im Frauenfußball stattfindet, kann man sich nicht mal zwei, drei Jahre zurücklehnen und sagen: Das klappt schon irgendwie mit einem Titelgewinn. Wir haben in Deutschland eine Masse an Talenten, davon kommen aber deutlich zu wenig oben an. Gleichzeitig müsste die Zahl der Mädels verringert werden, die nachher gar nichts mehr mit Fußball zu tun haben.

Das ist ja ein Stück weit eine Kritik am System. Nach längerer Diskussion schafft der DFB jetzt die Juniorinnen-Bundesliga ab und regt an, die ambitionierten Mädchenteams in Ligen der Jungen einzugruppieren. Was hältst du von dieser Entscheidung?
CFP: Aus Trainersicht finde ich es grundsätzlich gut, wenn wir mit den Mädels gegen Jungs spielen. Man muss natürlich die richtige Entscheidung treffen, in welche Jungen-Spielklasse die U17-Juniorinnen eingeordnet werden – es dürfte vielleicht die U15-Bezirksliga oder -Westfalenliga werden. Aus Sicht des Vereins, gerade des FSV Gütersloh als eigenständiger Frauensportverein, muss man allerdings sehen, dass das Prädikat „Bundesliga“ einen hohen Wert hat. Es zieht bei Sponsoren ebenso wie die Namen der Klubs, gegen die man antritt, nämlich Bayer Leverkusen, 1. FC Köln oder Borussia Mönchengladbach. Zudem darf man nicht verkennen, dass die Möglichkeit, in der Juniorinnen-Bundesliga zu spielen, für talentierte Mädchen eine große Anziehungskraft hat. Und das Prädikat „Bundesliga“ ist wertvoll für die Entwicklung von Selbstwertgefühl und die Akzeptanz im persönlichen Umfeld.

Wie hat sich die Bundesliga aus deiner Sicht seit 2012 entwickelt?
CFP: Für uns als FSV Gütersloh war das erste Bundesligateam seinerzeit ein goldener Jahrgang. Da waren zum Beispiel Melanie Ott (jetzt Schuster), Michelle Noetzel, Hjördis Nüsken, Nina Ehegötz, Frederike Kempe, Vivien Brandt und Wiebke Tepe dabei, also Spielerinnen, die von ihrem Niveau her ganz anders angesiedelt waren als der heutige Durchschnitt in der U17-Bundesliga. Als ich 2019 zurückgekehrt bin, habe ich mich fast erschrocken. Das war ein Riesenunterschied zu dem, was ich 2015 abgegeben hatte.

Der DFB hatte inzwischen propagiert und tut das immer noch, dass die talentierten Mädchen möglichst lange in Jungenmannschaften spielen sollten . . .
CFP: Das mag bei einzelnen Top-Talenten wie etwa Lena Oberdorf der richtige Weg sein – wobei mit dem Begriff Top-Talent in Deutschland etwas inflationär umgegangen wird. Aber man sollte bedenken, welche Konsequenzen das für die große Masse an Talenten hat. Jetzt komme ich nochmal auf das Ausscheiden bei der WM zurück, als beklagt wurde, dass wir keine kreativen Köpfe mehr haben und keine Spielerinnen Verantwortung übernehmen, wenn es mal nicht so gut läuft. Das stimmt, aber ich setze dagegen: Wo soll beides denn herkommen, wenn die Mädchen in Jungenmannschaften spielen? Dort lernen sie, physisch mitzuhalten und den Ball schnell, möglichst schon mit dem ersten Kontakt wegzuspielen, damit man bloß nicht ins Eins-gegen-Eins kommt und einen Ballverlust riskiert. Wie kann ich da erwarten, dass ich eine kreative Spielerin, eine Straßenfußballerin bekomme, die plötzlich gleichaltrige oder vielleicht sogar ältere Jungs ausdribbelt, ausspielt, Laufduelle gewinnt und mit dem Ball am Fuß Räume erkennt? Das geht nicht, das widerspricht sich. Und wie soll die Übernahme von Verantwortung funktionieren, wenn Mädchen in Jungenteams spielen, wo sie sich schon beim Mannschaftsfoto freiwillig in die dritte oder vierte Reihe stellen.

Also plädierst du dafür, weiter in reinen Mädchenmannschaften zu spielen und das auf höchstem Niveau, also Bundesliga?
CFP: Das muss man auch von der Persönlichkeit des einzelnen Mädchens abhängig machen. Aber ich halte es für falsch, alle talentierten Mädchen in ein System hineinzupressen, das vorsieht, in Jungenteams zu spielen. Natürlich bringt das etwas in puncto Athletik, also Kraft, Dynamik und auch Spielgeschwindigkeit. Aber der technische und taktische Aspekt des Fußballs fällt dort oft komplett weg. Denn, und das ist ein Punkt, der mir ganz wichtig ist: In den Jungenteams, in denen die Mädchen meistens unterkommen, mangelt es in der Regel an ausreichend qualifizierten Trainern, die eine technisch-taktische Ausbildung gewährleisten können. Viele Vereine sind doch froh, überhaupt einen Übungsleiter zu finden, ganz egal ob der eine Lizenz hat oder nicht.

Was schlägst du vor?
CFP: Bei mir hat ein Umdenken stattgefunden. Früher habe ich gesagt: Mädels müssen bei Mädels spielen. Das sehe ich inzwischen nicht mehr so, sondern ich plädiere für ein duales Zwischending, damit die Mädels eine breit gefächerte Ausbildung erhalten. Mädels sollten ein Zweitspielrecht bei den Jungs haben, um in puncto Physis etc. zu profitieren. Aber sie sollten in Mädchenteams spielen, damit der technische und taktische Aspekt nicht zu kurz kommt und damit sie ihre Kreativität einbringen können. Und ich bin davon überzeugt, dass sie Verantwortungsbewusstsein besser im gleichgeschlechtlichen Team entwickeln.

Das DFB-Konzept für die Zukunft beinhaltet ja auch etwas Duales. Mädchen sollen in Jungenteams spielen und Mädchenteams in Jungenligen. Aber es soll auf Bundesebene einen Pokalwettbewerb für ambitionierte Mädchenteams geben.
CFP: Das finde ich im Prinzip gut, aber ich kenne die Einzelheiten nicht. Wenn es so läuft wie im DFB-Pokal der Männer und Frauen, dann kann es sein, dass man ein Spiel hat und dann ausscheidet. Ich habe schon vor Jahren vorgeschlagen, anstelle der Bundesliga parallel zum Meisterschaftsbetrieb der Jungenligen einen Regionalvergleich zu organisieren, in dem die fünf oder sechs besten Mädchenteams sich regelmäßig miteinander messen – von mir aus auch ohne Tabelle.

Wie sollte aus deiner Sicht die Sichtung für DFB-Teams erfolgen?
CFP: Bisher ist es ja fast ausschließlich der Länderpokal. Das halte ich für Mumpitz, denn in den Landesauswahlen spielen die Mädchen häufig auf ungewohnten Positionen in einem völlig anderen Umfeld. Die Sichtung müsste stattdessen flächendeckend nach einem festen Schema regelmäßig bei den Vereinsspielen stattfinden. Dafür habe ich dem DFB schon 2012 bei einem Trainerkongress anlässlich der Einführung der U17-Bundesliga einen Vorschlag gemacht. Leider hat das so nicht stattgefunden. Man hat die Bundesliga mehr und mehr stiefmütterlich behandelt – und deswegen bin ich einerseits heilfroh, dass sie jetzt endlich abgeschafft wird.

Was bedeutet die Abschaffung der Bundesliga konkret für den FSV Gütersloh?
CFP: Wir haben es in all den Jahren geschafft, immer wieder Spielerinnen in unseren U17-Bundesligateams so auszubilden, dass sie den Sprung nach oben geschafft haben. Ob das auch in Zukunft der Fall sein wird, wenn der Spielbetrieb der Juniorinnen nicht mehr denselben Stellenwert hat wie zu Bundesligazeiten, weiß ich nicht. Es könnte passieren, dass der Faden reißt. Wichtig ist, dass der neue Weg vom DFB klar kommuniziert wird, und zwar nicht nach außen mit Blablabla, sondern man muss auch gegenüber den Mädels klar zum Ausdruck bringen, dass sie keine Angst haben müssen, beim DFB durchs Raster zu fallen, nur weil sie in reinen Mädchenteams spielen. Noch einmal: Aus neutraler Trainersicht kann das unter sportlicher Perspektive ein riesiger Schritt nach vorne werden. Ich kann aber auch die Sorge von Vereinen verstehen, vor allem von kleineren Klubs wie FSV Gütersloh, TuS Issel, FC Iserlohn oder SSV Rhade, dass das negative Auswirkungen hat.

Du hast viele Erfolge im Juniorinnenbereich gefeiert und viele Erfahrungen im Frauenfußball gesammelt: Würde dich ein Trainerposten in der Nachwuchsförderung beim DFB reizen?
CFP: Reizen schon, ich würde es zumindest nicht ausschließen. Aber ich muss das Ganze betrachten. Wenn ich mich mit irgendetwas nicht identifizieren kann, dann passt das nicht zu mir. Ich bin jemand, der sagt, was er denkt. Es kann auch mal unterschiedliche Vorstellungen geben, aber am Ende muss eine Basis vorhanden sein, die interessant ist.

Letzte Frage: Warst du enttäuscht darüber, dass eine von dir ausgebildete Außenverteidigerin . . .
CFP: . . . bei der Weltmeisterschaft nicht zum Einsatz gekommen ist? Schon auf dem Weg zum Interview habe ich gewusst, dass diese Frage kommt. Ja, ich war enttäuscht. Ich habe zu Sophia Kleinherne ein besonderes Verhältnis, was man auch daran sieht, dass sie mir ihr Trikot vom Debüt 2019 im Frauen-Nationalteam geschenkt hat. Sie und ihr Vater haben mir seinerzeit vertraut, als sie 2014 gegen viele verbandsseitige Stimmen aus dem Jungenteam des BSV Ostbevern zum FSV Gütersloh gewechselt ist. Im übrigen sind diesen Weg auch einige andere Talente gegangen, und sind oben angekommen. Ich weiß, wie viel Sophia dem Fußball unterordnet und ich hätte es ihr von Herzen gegönnt, dass sie in Australien spielt.

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