Erst ein Lebenszeichen, jetzt ein Ausrufezeichen: Der FSV Gütersloh hat sich im Kampf um den Klassenerhalt in der 2. Frauen-Bundesliga effektvoll zurückgemeldet. Eine Woche, nachdem der Vorletzte die Serie von zehn Niederlagen in Folge mit einem Heim-1:1 gegen den Tabellenvierten SV Meppen beendet hatte, landete er beim Tabellenachten Borussia Mönchengladbach einen 3:2-Sieg. Weil die Konkurrenz vom SV Weinberg (0:4 gegen Frankfurt) und SG Andernach (1:2 gegen Hamburg) verloren, verringerte sich der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz auf zwei Punkte. In den vier „Endspielen“ gegen Freiburg II, Ingolstadt, Nürnberg und Berlin können die schon abgeschlagen scheinenden Gütersloherinnen das Wunder vom Verbleib in der zweithöchsten deutschen Spielklasse tatsächlich noch perfekt machen. „Wir können es schaffen“, blieb Cheftrainer Markus Graskamp, der das Team zusammen mit Christopher Hankemeier coachte, unmittelbar nach Spielende relativ sachlich. „Die Situation hat sich nicht großartig geändert, wir brauchen weitere Siege“, erklärte der Coach seine emotionale Zurückhaltung damit, dem Team nicht noch mehr Druck machen zu wollen. Immerhin hatte eine gewisse Leichtigkeit zu dem Erfolg und der starken Leistung beigetragen.
Auch wenn der FSV am Ende mächtig um den ersten „Dreier“ seit fünf Monaten zittern musste – der Sieg im Mönchengladbacher Grenzlandstadion war hochverdient. Und hätten unsere Spielerinnen nicht eine Vielzahl an klaren Torchancen ausgelassen, wäre ihnen die zittrige Schlussphase auch erspart geblieben. Die schwache Schiedsrichterin Anke Hölscher (Ihlow, Ostfriesland), die Cheftrainer Markus Graskamp in der siebten der zuvor mit sechs Minuten angezeigten Nachspielzeit mit Gelb-Rot vom Platz stellte, ließ insgesamt neun Minuten nachspielen.
Höchst umstritten war schon die Entscheidung der 31-Jährigen, als sie in der 15. Minute mit Verzögerung auf Handelfmeter für Mönchengladbach entschied. Lilly Stojan hatte sich kurz vor dem Torraum in einen Schuss geworfen und den Ball vermeintlich sauber zur Ecke abgelenkt. Kiki Scholten, die Gladbacher Torjägerin, ließ sich die Chance nicht nehmen und brachte die Gastgeberinnen vor 303 Zuschauern mit 1:0 in Führung. Das klar dominierende Team stellten in der ersten Halbzeit aber die ganz und gar nicht wie ein Abstiegskandidat auftretenden Gäste. Getreu dem Motto von Markus Graskamp („Wir haben nichts zu verlieren“) liefen sie den Gegner mutig an, sobald der sein Mittelfeldspiel starten wollte, und stürzten ihn immer wieder in Verlegenheit. Gizem Kilic scheiterte schon in der 10. Minute nach einem Querpass von Lea Bultmann mit einem Hochkaräter an BMG-Keeperin Luisa Palmen. In der 26. Minute traf Kilic mit einem Schuss aus halblinks nur den Außenpfosten, und Maren Tellenbröker setzte in der 29.Minute einen Versuch nach abgewehrter Ecke aus 15 Metern knapp über die Latte. Der 1:1-Ausgleich durch Ronja Leubner in der 34. Minute war bereits überfällig. Ausgangspunkt war ein feiner Linienball von Maren Tellenbröker auf dem rechten Flügel zu Paula Weber. Die setzte sich gegen eine Verteidigerin durch, zog in den Strafraum und bediente Leubner, die mit links einnetzte. Neun Zeigerumdrehungen später brachte Gizem Kilic den FSV mit 2:1 in Führung. Diesmal ging die Gefahr von einem herrlichen Diagonalball von Paula Weber auf den rechten Flügel zu Nele Schmidt aus. Ihre Hereingabe prallte von einem Knäuel von Spielerinnen hoch in die Luft ab, und Kilic reagierte am besten, als sie den herunterfallenden Ball mit langem Bein über die Linie schob. Eigentlich hätte unser Team mit einer noch höheren Führung in die Kabine gehen müssen, den noch vor dem Pausenpfiff boten sich Kilic und vor allem Demi Pagel weitere Top-Chancen.
Der Chancenwucher setzte sich auch im zweiten Durchgang fort. Lea Bultmann schob den Ball nach einem schönen, von Gizem Kilic und Ronja Leubner finalisierten Konter aus fünf Metern um Haaresbreite am Pfosten vorbei (54.). Und Demi Pagel scheiterte frei vor Luisa Palmen an der Gladbacher Torhüterin (64.). Zunehmend ließ sich der FSV, der die Intensität des Pressings aus der ersten Halbzeit nicht durchgehalten hätte, aber nach hinten drängen. Finja Kappmeier (67.) und Torhüterin Janne Krumme (76.) mussten die Führung verteidigen. Das Tor zum 3:1, erzielt in der 77. Minute von der fünf Minuten zuvor eingewechselten Julia Gärtner, kam also wie gerufen. Die 24-jährige Leihgabe aus dem Regionalligakader behielt bei einem Konter und dem Zuspiel der halbrechts freigepassten Ronja Leubner die Nerven und erzielte bei ihrem zweiten Zweitligaspiel ihr erstes Tor.
Was danach passierte, kann man nur als Abwehrkampf pur bezeichnen. Er verschärfte sich, als Schiedsrichterin Hölscher in der 88. Minute nach einem Crash-Duell zwischen Janne Krumme und einer Gladbacherin ihre zuvor getroffene Freistoßentscheidung pro Gütersloh revidierte und erneut auf den Elfmeterpunkt zeigte. Die 17-jährige Kiki Scholten, U19- Nationalspielerin für die Niederlande, hämmerte den Ball für Borussia Mönchengladbach unhaltbar zum 2:3 in die Maschen. Es folgte die überlange Nachspielzeit, in der die Gütersloherinnen durch Anna-Lena Meier und Paula Weber noch zwei dicke Konterchancen besaßen. Am Ende reichte es. Zum Jubelfoto humpelten auf Krücken auch die verletzten Pauline Berning (Mittelfußbruch) und Melanie Schuster (Knie) auf den Platz. Mit so viel Zusammenhalt des gesamten Teams ist auch am Sonntag, 27. April, im Heimspiel gegen Schlusslicht SC Freiburg II ein Erfolg möglich.
FSV Gütersloh: Krumme – Schmidt, Tappe, Stojan, Kappmeier – Pagel (84. Meier, 90.+4 Wisniewski), Tellenbröker, Bultmann (84. Preuß), Kilic (72. Gärtner) – Leubner, Weber. Im Aufgebot: Kammermann, Zitzer, Rolle (Tw).
Tore: 1:0 (15.) Scholten (HE), 1:1 (34.) Leubner, 1:2 (43.) Kılıç, 1:3 (77.) Gärtner, 2:3 (88.) Scholten.