Das hat es noch nie gegeben: „Gütersloh, Gütersloh“-Sprechchöre hallten am Sonntag durch das Stadion An der Alten Försterei. Die Rekordkulisse von 20.132 Zuschauern honorierte den sportlich fairen und zugleich bitteren Auftritt des schon vorher zum Abstieg aus der 2. Frauen-Bundesliga verurteilten FSV Gütersloh bei der Meisterkür des 1. FC Union Berlin. Die Köpenickerinnen hatten den Gästen aus Ostwestfalen in den 90 Minuten zuvor keine Chance gelassen, sich mit einem Achtungserfolg aus dem Unterhaus zu verabschieden und mit einem 6:0-Triumph eindrucksvoll ihre Extraklasse unter Beweis gestellt. Anschließend standen das Team und die Delegation des FSV Gütersloh auf dem Rasen Spalier, als die Berlinerinnen zur offiziellen Ehrung durch den DFB auf die schnell aufgestellte Bühne schritten. Elfie Wutke, Mitglied im DFB-Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball, sowie Ex-Nationalspielerin Saskia Bartusiak, Assistenztrainerin der Frauen-Nationalmannschaft, überreichten Medaillen und Meisterschale, bevor die Feierlichkeiten mit Konfettiregen, Bierduschen, Ehrenrunden und Gesängen ihren Lauf nahmen. Hier waren die enttäuschten Gütersloherinnen dann nur noch Statisten, doch Cheftrainer Markus Graskamp war wie alle beeindruckt von der Stimmung und der Atmosphäre in der Alten Försterei. „Respekt liebe Union-Fans und Glückwunsch zum Aufstieg. Trotz Niederlage ein einmaliges Erlebnis für uns. Einmal Union immer Union“, postete Graskamp auf Facebook.
Ernsthaft Paroli bieten konnte der 21 Jahre nach dem Aufstieg als Tabellenletzter aus der 2. Liga abgestiegene FSV Gütersloh den als Aufsteiger in die Bundesliga durchmarschierten Berlinerinnen nicht. Ganze 18 Minuten hielt der Defensivriegel, den Markus Graskamp mit einer 5-4-1-Formation aufgebaut hatte. Immerhin verbuchte unser Team in der Anfangsphase mit einem 15-Meter-Schuss von Innenverteidigerin Lilly Stojan, den Union-Keeperin Cara Bösl zur Ecke abwehrte, den einzigen torgefährlichen Abschluss. Mit drei Toren innerhalb von fünf Minuten brachen die „Eisernen Ladies“ dann aber früh den Bann. Erst verwertete Antonia Halverkamps eine Hereingabe von außen zum 1:0 (18.). Dann verwandelte Lisa Heiseler einen äußerst fragwürdigen Handelfmeter zum 2:0 (20.); Chiara Tappe war im Strafraum sitzend von Korina Janez am Stützarm angeschossen worden, was Schiedsrichterin Monique Panetta als strafwürdig ansah. Und schließlich sorgte Dina Orschmann mit dem 3:0 (22.) für die nächste kalte Dusche. „Da habe ich kurzzeitig befürchtet, dass wir uns bis zur Pause noch mehr Gegentreffer fangen könnten“, gestand Graskamp. Der FSV-Coach beobachtete aber, wie sich sein Team wieder stabilisierte und ohne deprimierenden Zwischenstand in die Kabine kam.
Leider änderte sich im zweiten Durchgang nichts an der Verteilung von Ballbesitz und Tormöglichkeiten. „Union war uns in allen Belangen überlegen“, stellte der Gütersloher Trainer anerkennend fest. Zwar musste der FSV keinen Chancenhagel über sich ergehen lassen. Aber angesichts von zahlreichen Ecken der für ihre gefährlichen Standards bekannten Berlinerinnen, angesichts von zwei Abseitstoren und einigen erfolglosen Abschlüssen konnte der FSV Gütersloh am Ende froh sein, „nur“ mit 0:6 verloren zu haben. Union-Kapitänin Lisa Heiseler stellte in der 48. und 68. Minute auf 5:0 und sicherte sich mit 22 Saisontreffern die Torjägerkrone der 2. Liga vor der Nürnberger Vizemeisterin Medina Desic (20). In der Schlussminute traf Sarah Abu Sabbah zum 6:0-Endstand.
Angesichts des Geschehens im Stadion An der Alten Försterei erinnerte sich Markus Graskamp an den Mai 2012. Damals machte der FSV Gütersloh mit ihm als Trainer im Heidewaldstadion durch einen 15:0-Sieg über den Absteiger Mellendorfer SV den Aufstieg in die Bundesliga perfekt – und das vor der seinerzeitigen Rekordkulisse von 1.502 Zuschauern. Nun, 13 Jahre später, erlebte er das gleiche in Berlin aus der entgegensetzten Perspektive und in einer unvergleichbar größeren Dimension. Die Erkenntnis: Der Frauenfußball hat sich enorm entwickelt und er wird sich weiter entwickeln. Leider in der nächsten Saison ohne den FSV Gütersloh in der 2. Liga.
FSV Gütersloh: Krumme – Schmidt (79. Schmidt), Tappe, Tellenbröker, Stojan, Kappmeier (46. Pagel) – Krohne (46. Bultmann), Leubner, Hokamp, Preuß (65. Gärtner) – Weber (79. Aradini). Im Aufgebot: Wisniewski, Kilic, Rolle, (Tw), Blome (Tw)