FSV Gütersloh 2009

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FSV Gütersloh 2009

FSV-Innenverteidigerin Anna Höfker: „Das letzte Jahr hat mein Leben um 180 Grad gedreht“

Who the FSV is... Anna Höfker?

Was hat Anna Höfker, Zweitligaspielerin des FSV Gütersloh, mit Ariane Hingst, Franziska van Almsick, Maria Höfl-Riesch und Dunja Hayali zu tun? Nun, die 22-Jährige arbeitet gemeinsam mit der zweifachen Fußball-Weltmeisterin, der deutschen Schwimm-Ikone, der dreimaligen Ski-Olympiasiegerin und der bekannten ZDF-Journalistin an einem der spannendsten Projekte im deutschen Sport. Der FC Viktoria Berlin hat sich nicht nur auf die Fahne geschrieben, in die Bundesliga aufzusteigen, sondern man will dem Sport der Frauen insgesamt einen Schub verleihen und zu einem gesellschaftlichen Wandel in puncto Chancengleichheit und Gleichberechtigung beitragen. Dazu haben sechs Gründerinnen um Ariane Hingst funktionierendes Team auf dem Platz geschaffen, das just den Meistertitel in der Regionalliga Nordost gewann. Vor allem aber schufen sie ein Netzwerk aus inzwischen 87 Investor*innen, die das Projekt mit Prominenz und Persönlichkeit – und natürlich auch mit ihrer Finanzkraft unterstützen. Und Anna Höfker ist als angestellte Mitarbeiterin, laut Homepage zuständig für PR und Kommunikation, mittendrin im „Geschäft“. Wie es dazu kam? „Ich hatte das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein“, schildert die Abwehrspielerin die Entstehung der Zusammenarbeit. Im Sommer 2021, nach einem gerade beendeten Auslandssemester in Salzburg, absolvierte sie als Studentin der Kommunikationswissenschaft ein Praktikum bei einer Agentur in Düsseldorf, die auch eine Dependance in Berlin betreibt. So entstand ein erster Online-Kontakt mit der umtriebigen Journalistin Felicia Mutterer, die ein Jahr später zu den Gründerinnen des Projekts gehörte. Drei Monate später, Anfang November 2021, meldete sich Mutterer erneut bei ihr, und Schritt für Schritt entwickelte sich eine Zusammenarbeit. Nach dem Bachelor-Abschluss 2022 setzte Anna Höfker ihr Studium an der Universität Münster mit dem Master im Fach „Strategische Kommunikation“ fort. Sie befindet sich im zweiten von vier Semestern, ist aber bereits als Werksstudentin beim FC Viktoria Berlin mit einem Arbeitsumfang von 20 Wochenstunden (im Semester) und 40 Wochenstunden (Semesterferien) tätig. „Manchmal muss ich mich selbst kneifen, mit wem ich da gerade kommuniziere“, staunt sie angesichts der beeindruckenden Partner in ihrem Businessbereich. Auf jeden Fall ist die Faszination über die bereichernden Kontakte mit den „Promis“ sowie die enge Anbindung an die weiteren Gründerinnen Katharina Kurz, Lisa Währer, Tanja Wielgoß und Verena Pausder ebenso groß wie die professionelle Herausforderung: „Das letzte Jahr hat mein Leben um 180 Grad gedreht“, schwärmt sie. Dazu trug auch ihr Karrieresprung beim FSV Gütersloh bei. Dass sie sich auf Anhieb in der 2. Liga etablieren würde, war keineswegs vorauszusehen, als sie im Sommer 2022 in die Tönnies-Arena zurückkehrte. Hier hatte die aus Rheine stammende und beim SV Mesum gestartete Fußballerin schon von 2014 bis 2017 im Gütersloher U17-Bundesligateam gespielt. Anschließend steckte Anna Höfker ihre Ambitionen wegen Abitur und Studienbeginn allerdings zurück und verbrachte fünf Jahre im Frauenteam von Germania Hauenhorst – zunächst zwei Spielzeiten in der Regionalliga, dann aber drei Jahre nur in der Westfalenliga. Insofern war sie überrascht, als FSV-Geschäftsführer Michael Horstkötter im Juni 2022 anrief und ihr ein Angebot für die 2. Liga unterbreitete. Den Sprung über zwei Spielklassen sah sie als verlockendes Wagnis, ging es aber auch deswegen ein, weil die Rahmenbedingungen passten: „Ich hatte gerade den Bachelor in der Tasche und konnte mit Paula Reimann und Sarah Rolle eine Fahrgemeinschaft aus Münster bilden.“ Der sportlichen Herausforderung war sie sich sehr wohl bewusst, und sie war bereit, entsprechend viel zu investieren. „Es hat sich ausgezahlt, dass ich auf meinen Sommerurlaub verzichtet habe“, blickt sie auf die Saisonvorbereitung zurück. Dass sie vom ersten Spieltag an in der Innenverteidigung gesetzt war, gehörte zu den personellen Überraschungen beim FSV. „Ein Riesendank an die Trainer, dass sie mir das Vertrauen gegeben haben“, sagt Anna Höfker, die bei 23 von 25 Zweitligapartien mit ihrer abgeklärten Spielweise imponierte und mit fünf Treffern sogar zu einer der besten Torschützinnen im Team avancierte. Das bevorstehende Spiel gegen Eintracht Frankfurt II wird allerdings ihr letztes für den FSV Gütersloh sein. Sie hat den Verantwortlichen frühzeitig mitgeteilt, dass sie den Verein trotz der so positiv verlaufenen Saison verlassen wird. „Ich habe für mich alle Szenarien durchgespielt – sportlich, beruflich, persönlich“, schildert sie den Entscheidungsprozess, an dessen Ende das „Gesamtpaket“ für einen Wechsel sprach. Noch sei beim FC Viktoria kein Vertrag unterschrieben, aber die Lösung ist naheliegend, zumal sie in Berlin bereits eine Wohnung gefunden hat. Die Vereinbarkeit von Studium, beruflicher Perspektive und Fußball, die sie im letzten Jahr trotz aller Möglichkeiten der Online-Kommunikation organisatorisch gefordert und an die Grenzen der zeitlichen Belastung gebracht habe, sei in der Hauptstadt einfach stärker gegeben. Von den zukünftigen Spielklassen konnte sie ihre Entscheidung nicht abhängig machen. Zwar stellt sich bereits an diesem Wochenende heraus, ob der FSV den Aufstieg in die Bundesliga schafft. Doch wo die Viktoria in der nächsten Saison spielt, ist bis zum 18. Juni offen. Dann erst findet das Rückspiel um den Zweitliga-Aufstieg gegen den Hamburger SV als Meister der Regionalliga Nord im Stadion Lichterfelde statt. Vorerst konzentriert sich Anna Höfker aber ganz auf das Saisonfinale mit ihrem aktuellen Verein. „Wir haben durch den Sieg in Leipzig eine Chance gewonnen, die man beinahe schon abgeschrieben hatte“, blickt sie auf das Duell mit Eintracht Frankfurt II voraus. Und sie ist überzeugt: „Das wird auf jeden Fall ein geiles Heimspiel, denn schon die letzten Spiele in der Tönnies-Arena waren richtig cool.“ Dass sie vor einer großen Kulisse mit einem Sieg des FSV Gütersloh rechnet, es wäre der sechste in Folge, versteht sich von selbst. Den größeren Druck sieht die PR- und Kommunikationsexpertin beim 1. FC Nürnberg: „Wir dagegen können getreu dem Motto des Vereins ‚Alles kann, nichts muss‘ befreit aufspielen.“

FSV-Mama Melanie Schuster: „Es war immer klar, dass ich wieder spielen wollte“

Who the FSV is... Melanie Schuster?

Die Szene hatte das Zeug für eine tragische Pointe: Erstmals nach ihrer Babypause war Melanie Schuster vergangenen Sonntag für den FSV Gütersloh wieder mit der Startelf aufgelaufen, da blieb sie wenige Sekunden nach dem Anpfiff der 2. Halbzeit mit dem Fuß im Rasen hängen. Die Innenverteidigerin verstolperte in hinterster Linie den Ball und die TSG Hoffenheim II nutzte das Geschenk zum 1:1-Ausgleich. „Mist“ habe sie gedacht, sich dann aber sofort gesagt: „Du kannst es nicht mehr ändern, also abhaken.“ Ihre Zuversicht auf mannschaftliche Wiedergutmachung („Es war ja noch lange genug zu spielen“) wurde nicht enttäuscht. Obwohl das Team anschließend sogar mit 1:2 in Rückstand geriet, gewann der FSV Gütersloh mit 4:2 und wahrte als Tabellendritter seine Chance auf den Bundesligaaufstieg. Viel größere Comeback-Qualitäten der persönlichen Art waren von der 26-Jährigen in den letzten Monaten gefragt. Als erste Gütersloher Zweitligafußballerin kehrte sie als Mutter auf den Platz zurück. Anfang Oktober 2022 kam Töchterchen Mavie zur Welt. Keine sechs Monate danach trug sie wieder das Trikot der „Zweiten“, und am 2. April wurde sie erstmals wieder beim Spiel der „Ersten“ in Nürnberg eingewechselt. Inzwischen stehen 120 Einsätze in der 2. Liga sowie 14 DFB-Pokalspiele für sie zu Buche. An die Beendigung ihrer vor 20 Jahren als Sechsjährige in Lotte begonnenen und seit 2012 beim FSV Gütersloh bestrittenen Karriere hatte „Melli“ Schuster keinen Gedanken verschwendet, als sie Anfang 2022 von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Im Wissen darum bestritt sie am 27. Februar noch die Partie beim MSV Duisburg und informierte dann Trainerteam und Mitspielerinnen über die besonderen Umstände und die bevorstehende Wettkampfpause. „Aber es war immer klar, dass ich wieder Fußball spielen wollte“, blickt sie zurück. Bis Mai trainierte sie weiter mit der Mannschaft mit, hielt sich anschließend individuell fit, war aber trotzdem regelmäßig bei Training und Spielen dabei. „Ich war nie richtig weg“, beschreibt die mit ihrer kleinen Familie in Kamen-Methler lebende Fußballerin die enge Bindung ans FSV-Team. Sehr rasch nach der Geburt startete sie unter Hebammen-Anleitung ein achtwöchiges Rückbildungsprogramm und stieg dann vorsichtig mit Unterstützung von Fitnesscoach Kathrin Lückel wieder ins Vereinstraining ein. Nach einem halben Jahr stillte die Mutter ab, um der leistungssportlichen Belastung ihres Körpers gerecht zu werden. Das ambitionierte Ziel, schon während der Rückrunde ins Zweitligageschehen zurückzukehren, ließ sich aber nur realisieren, weil Tochter, Ehemann und Familie mitspielten. „Mavie ist ein super entspanntes Kind“, schildert sie das Glück, das wohl auch dem verantwortungsvoll-gelassenen Umgang der Eltern mit der neuen Situation zu verdanken ist. Ehemann Lukas (30), als junger Bursche auch mal für RW Ahlen in der NRW-Liga und längst wieder für den heimatlichen Landesligisten SuS Kaiserau aktiv (übrigens wie seine Frau mit der Trikotnummer 7), versucht seinen Job als Automobilkaufmann zeitlich so einzurichten, dass sie Freiräume hat. Und wenn sich seine drei und ihre vier wöchentlichen Trainingstermine überschneiden, sind die Schwiegereltern zur Stelle. Nervt das ständige Organisieren-Müssen? „Nein“, sagt Melanie Schuster: „Ich bin vielmehr dankbar, dass es klappt.“ Zu den großen Unterstützern gehört natürlich ebenso ihre in Mettingen lebende Mutter. Auch Vater, Oma, Tante, den älteren Bruder Thomas und die jüngere Schwester Valeria, die sämtlich ebenfalls im Tecklenburger Land wohnen, zählt sie als enge Bezugspersonen auf, denn: „Familie ist mir sehr wichtig.“ Wichtig für „Melli“ Schuster ist auch ihre beste Freundin: Lea Schüller, Stürmerin beim FC Bayern München und 46-fache Nationalspielerin (dort natürlich mit der Rückennummer 7) lernte sie während der gemeinsamen Zeit in den U-Teams des DFB kennen und schätzen. Highlights dieser Jahre, in denen sie unter ihrem Mädchennamen Melanie Ott 15 Mal das Nationaltrikot trug, waren 2013 der Gewinn des U17-Europameistertitels in England sowie 2016 die U20-Weltmeisterschaft in Papua-Neuguinea, wo Deutschland im Viertelfinale an Frankreich scheiterte. „Jede Reise war ein persönliches Erlebnis, aber am anderen Ende der Welt zu sein, war schon verrückt“, erinnert sie sich besonders stark an den Trip nach Ozeanien. Dass sich der Traum von der A-Nationalmannschaft und auch der in jungen Jahren mal erwogene Wechsel zu einem Bundesligisten nicht realisierte, grämt sie längst nicht mehr. „Wer weiß, was gewesen wäre, wenn – und wer weiß, was dann nicht gewesen wäre“, sagt sie. Vielleicht hätte sich vor allem das private Glück mit Ehemann Lukas nicht so entwickelt. 2012 war Melanie Ott auf das Mädcheninternat des FLVW nach Kaiserau und unter Beteiligung von Christian Franz-Pohlmann aus einem Jungen-Team der Sportfreunde Lotte zum U17-Bundesligisten FSV Gütersloh gewechselt. Die Internatsmädchen trainierten unter der Woche bei SuS Kaiserau, wo Lukas Schuster damals bereits in der 1. Mannschaft spielte. Man sah sich, traf sich und zog 2016 nach ihrem Abitur an der Gesamtschule Kamen zusammen. Zwei andere Faktoren trugen dazu bei, dass Melanie Schuster keinen Versuch unternahm, in die Bundesliga zu wechseln. „Ich war immer zufrieden beim FSV Gütersloh und habe mich nie danach gesehnt, den Verein zu verlassen“, führt sie den einen Grund an. Der andere: „Ich wollte zur Polizei, und das wäre mit der 1. Liga nicht zu vereinbaren gewesen.“ Doch es kam anders. Die Fußballerin scheiterte im ersten Anlauf bei der Aufnahmeprüfung um einen Punkt. Ein Jahr später bestand sie, doch dann reifte in ihr die Überzeugung, dass der Polizeidienst mit seiner hohen zeitlichen Beanspruchung von Abend- und Wochenenddiensten nicht mit ihrer Vorstellung von Familien- und Freizeitleben übereinstimmte. Schuster absolvierte stattdessen eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement und arbeitete bis zur Babypause in Dortmund bei der BFS health finance GmbH, einer auf das Abrechnungswesen für Ärzte und Kliniken fokussierten Arvato-Tochter. Nach einer zweijährigen Elternzeit plant sie ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz. Ihren Vertrag beim FSV Gütersloh („Der Verein hat sich sehr gut entwickelt“) hat sie kürzlich um ein Jahr verlängert: „Ich hätte auch für zwei Jahre unterschreiben können, will aber erst mal abwarten, wie es mit der Kleinen klappt.“ Läuft es weiterhin so gut wie derzeit, will sie auf jeden Fall „noch ein paar Jahre“ spielen – und das auf hohem Niveau. Ein Wechsel etwa zu Borussia Dortmund, dessen Frauen von der Bezirks- in die Landesliga aufsteigen, kam deswegen überhaupt nicht in Frage „obwohl ich BVB-Fan bin.“ Welchen Weg wird der professionelle Frauenfußball in Deutschland einschlagen? Melanie Schuster („Man merkt, dass etwas im Kommen ist“)… FSV-Mama Melanie Schuster: „Es war immer klar, dass ich wieder spielen wollte“ weiterlesen

FSV-Allrounderin Celina Baum: „Der Aufstieg ist noch nicht abgeschrieben“

Who the FSV is... Celina Baum?

Es war im Jahre 2019, als die Karriere von Celina Baum beim FSV Gütersloh am seidenen Faden hing. Die damals 18-Jährige gehörte dem Zweitligakader von Trainer Steffen Enge an, kam aber nur selten zum Einsatz. „Ich hatte gar keine richtige Lust mehr und habe überlegt, den Verein zu verlassen“, gesteht sie rückblickend. Gut, dass sie es nicht tat. Baum biss sich durch und gehört längst zum Inventar des FSV. Seit ihrer ersten Einwechslung am 24. November 2018 beim 3:0-Sieg über den SV Weinberg absolvierte sie 71 Zweitligaspiele und bringt es auf acht Einsätze im DFB-Pokal. „Ich bin schon stolz auf das, was ich erreicht habe“, sagt die Fußballerin. Beeindruckend: Celina Baum leitete den Wendepunkt ihrer Laufbahn ohne großes Tamtam selbst ein: „Ich habe persönlich die Entscheidung getroffen, mich reinzuhängen.“ Ohne das Trainerteam zu informieren, startete sie ein regelmäßiges, zusätzliches Training im Fitnessstudio. Der körperliche Effekt stellte sich rasch ein, das Selbstvertrauen wuchs. „Fußball ist Teil meines Lebens, das wollte ich nicht wegschmeißen“, erklärt sie heute die Motivation von damals. Irgendwie passt dieser kämpferische Ehrgeiz zum Leben der kürzlich 22 Jahre alt gewordenen Frau. Ihr Weg führte eben nicht stetig bergauf, sie musste sich manches mit zähem Durchhaltewillen erarbeiten. „Ich galt früher nicht als Talent und habe mich auch selbst nicht als besonders talentiert gesehen“, lautet ihre Erklärung dafür, dass sie nicht wie andere in ihrem Alter das Angebot erhielt, auf das Mädchen-Internat des FLVW nach Kaiserau zu wechseln. Ganz abgesehen davon gesteht sie, keine diesbezüglichen Ambitionen gehabt zu haben: „Auswahlmannschaften lagen mir nicht, ich habe mich da nicht wohl gefühlt.“ Mit Genugtuung und einem Lächeln blickt sie auf ihre Entwicklung nach der „Krise“ im Jahr 2019: „Meine Talentzeit begann erst in der 1. Mannschaft des FSV.“ Parallel dazu gelang auch schulisch gewissermaßen der Durchbruch. Nach der Grundschulzeit im Heimatort Hörste und dem Realschulabschluss an der Gesamtschule in Leopoldshöhe wechselte sie auf das Berufskolleg in Lemgo, wo sie das Fachabitur mit Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung erwarb. Weiter verfolgen will sie diese Richtung aber nicht. Während sie aktuell als Teilzeitkraft im Einzelhandel arbeitet („Erst mal ein bisschen Geld verdienen“), strebt sie für das kommende Jahr eine Ausbildung bei Polizei oder Bundespolizei an. Mit dem Trainingsbetrieb beim FSV Gütersloh lässt sich die Arbeit gut vereinbaren. „Man nimmt Rücksicht“, ist Celina Baum dem Unternehmen dankbar, dass die Fahrten vom Wohnort Lage nach Rheda-Wiedenbrück zeitlich ohne Stress möglich sind. Dass sie mit ihren Eltern Detlef und Nicole sowie ihrem Bruder Dominik (25) inzwischen im Zentrum der knapp 35.000 Einwohner zählenden Stadt Lage wohnt und nicht mehr im 2.600-Seelen-Ortsteil am Fuße des Teutoburger Waldes, bedauert sie. „Ich mag Lage nicht“, sagte Celina Baum. Die Sportskanone, die gerne schwimmt, Volleyball spielt und auch den Tennisschläger schwimmt, vermisst die Ruhe und das Familiäre in Hörste. Im dortigen Rasensportverein begann sie schon im Alter von drei Jahren mit dem Fußballspielen. „Mein Vater ist schuld“, sagt Celina Baum. Er spielte selbst und erfüllte ihr den Wunsch, sie bei den Minikickern anzumelden. Später und bis zu den C-Junioren fungierte er auch als ihr Trainer. Spätestens nach einem Jahr mit Zweitspielrecht beim TuS Eichholz-Remminghausen, den sie ins Finale des VW-Cups in Wolfsburg schoss („Das war ein Hammer-Erlebnis und echt cool“), wurde sie von den großen Klubs entdeckt. Sie absolvierte ein Probetraining bei Arminia Bielefeld, entschied sich 2016 aber für den FSV Gütersloh. Leicht fiel ihr der Wechsel in das erst von Jacqueline Dünker und dann von Johannes Fritsch trainierte U17-Bundesligateam nicht, doch am Ende setzte sie sich durch. In zwei Jahren brachte sie es auf 26 Partien, in denen sie sechs Treffer erzielte. „Wir hatten ein mega-tolles Team. Der Zusammenhalt und die Persönlichkeiten waren ziemlich besonders“, erinnert sie sich an die Zeit mit Spielerinnen wie Anna Aehling, Charlotte Blümel, Lilly Stojan oder Paula Reimann, Der schwierige Übergang ins Frauenteam, der gespickt war mit Einsätzen in der „Zweiten“, war auch mit einem taktischen Lernprozess verbunden: „Man hat mir geraten, mehr nach hinten zu arbeiten, sonst würde ich nicht spielen.“ Celina Baum hatte ihre außergewöhnliche Schnelligkeit und ihre kompromisslose Balleroberungsdynamik vor allem in der Offensive eingesetzt. Sie folgte dem Rat und avancierte zur Saison 2021/2022 zur absoluten Stammspielerin – und mit sieben Treffern in 24 Partien auch zu einer kleinen Torjägerin. „Sie hat einen unheimlich guten Schuss“, nennt Trainerin Britta Hainke eine weitere Stärke ihrer Nummer 9. Einbringen muss die ihre Qualitäten, zu denen auch eine willensstarke Ausdauer gehört, inzwischen allerdings meist auf einer defensiven Position. „Die Leistung gegen Wolfsburg hat den Trainern wohl zu gut gefallen“, scherzt Celina Baum, die im DFB-Pokalspiel als Außenverteidigerin überzeugte und sich dort festspielte. Eine Liebesbeziehung mit der neuen Rolle ist sie zwar noch nicht eingegangen, aber sie fügt sich mit professionellem Einsatz. Was ist noch drin in dieser Saison, in die der FSV Gütersloh als vermeintlicher Abstiegskandidat gestartet war? „Der Aufstieg ist noch nicht abgeschrieben“, sagt Celina Baum zum Thema Bundesliga. Voraussetzung, um von eventuellen Patzern des vier Punkte enteilten 1. FC Nürnberg zu profitieren, sei indes, „dass es alle wollen und nicht einige nachlassen wie nach der Führung bei der 1:2-Niederlage gegen Ingolstadt.“ Sollte es mit dem Aufstieg klappen, würden alle Partien des FSV Gütersloh in der nächsten Saison von Magenta Sport live übertragen. Für die Zweitligaspielerin würde das aber wohl nichts an ihrem ungewöhnlichen TV-Konsum ändern: „Ich schaue kaum Fernsehen, weder Serien noch Sport. Und ich gucke so gut wie gar keine Fußballspiele.“ Mit einem kessen Spruch beendet Celina Baum das Gespräch zu diesem Thema: „Ich bin Fan von meinem Fußball.“

Sarah Rolle: „Ich will nicht träumen und dann enttäuscht werden“

Who the FSV is... Sarah Rolle?

Es war der ausdrückliche Wunsch der Mannschaft gewesen, am spielfreien Osterwochenende drei Tage am Stück trainingsfrei zu bekommen. „Die letzten Wochen waren intensiv, und die nächsten Wochen werden auch intensiv“, erklärt Sarah Rolle die Bitte. Das Trainerteam entsprach ihr gern, wohlwissend, dass physische und mentale Erholung wesentliche Bestandteile der Belastungssteuerung sind. Und die Kapitänin unseres Zweitligateams nutzte die drei Tage in wahrlich ablenkender Weise: Die 23-jährige reiste zusammen mit Außenverteidigerin Demi Pagel (19) nach Paris. „Die berühmten Sehenswürdigkeiten waren auch schön, aber noch mehr haben mir die kleinen Gassen gefallen“, schwärmte die Torhüterin, als sie am Ostermontag pünktlich um zehn Uhr wieder in der Tönnies-Arena auf dem Trainingsplatz stand. Zum leistungssportlichen Alltag unserer Zweitligafußballerinnen gehört auch, dass am Dienstag wieder die Hauptsache anstand – die berufliche oder schulische Pflicht. Sarah Rolle, fuhr zum Hauptsitz der Firma Brillux in ihrem Wohnort Münster. Bei dem knapp 3.000 Mitarbeiter großen Lack- und Farbenhersteller, bei dem sie von 2018 bis 2021 die Ausbildung zur Industriekauffrau absolvierte, ist sie in Vollzeit als kaufmännische Angestellte im Vertriebsinnendienst beschäftigt. Viermal pro Woche düst sie nach der Arbeit in einer Fahrgemeinschaft mit Anna Höfker und Paula Reimann zum Training in die Tönnies-Arena. Kein Wunder, dass da nicht viel Zeit für andere Unternehmungen bleibt, zumal Sarah Rolle keine wilde Partygängerin ist („Ich bin eher die Gemütliche“) und gerne und häufig Zeit mit ihrer Familie verbringt. Mit 23 ist sie das jüngste von drei Kindern im Hause Rolle in Everswinkel, in das ihr Bruder und ihre Schwester aber ebenso regelmäßig zu Besuchen zurückkehren. In der 10.000-Einwohner-Gemeinde wuchs die gebürtige Warendorferin auf, besuchte Kindergarten und Realschule, bevor sie zwei Jahre lang in Münster zur Schule ging, um das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung zu erwerben. Dass ihre Eltern Ulrich und Heike zu den Stammgästen in der Tönnies-Arena gehören, versteht sich von selbst. Schließlich ist zumindest ihr Vater vom Fach, denn er bekleidete lange das Amt des Abteilungsleiters im Sportclub DJK Everswinkel. In dessen Jungenmannschaften erhielt Sarah Rolle unter der Betreuung von Tim Lemke und Frederik Isselhorst die fußballerische Grundausbildung und entwickelte den Spaß am Spiel. „Entführt“ aus ihrem Heimatverein hat sie im Sommer 2015 Christian Franz-Pohlmann. Dem aus dem Nachbarort Sassenberg stammenden Trainer, der dann das Frauen-Zweitligateam des FSV übernahm, war das Talent des Mädchens natürlich nicht verborgen geblieben. Gleich in der ersten Saison erreichte sie als Torhüterin der B1 zusammen mit Spielerinnen wie Annalena Rieke, Sophia Kleinherne, Pauline Berning, Svenja Hörenbaum, Lilly Stojan oder Marie Schröder das Finale um die Deutsche Meisterschaft. Das von Jacqueline Dünker trainierte Team unterlag Turbine Potsdam mit 2:4. Spaßeshalber spielte „Rollo“ in dieser Zeit auch noch in der B2 – als Feldspielerin auf den Positionen acht und zehn. Keinen Spaß hatte sie irgendwann mehr in der Westfalenauswahl. „Da habe ich mich abgemeldet“, blickt sie zurück: „Mir war immer klar, dass ich nie in ausschließlichen Leistungsdruck kommen will. Ich möchte nie etwas machen, was ich nicht will.“ Wichtig war ihr damals, viermal pro Woche beim FSV Gütersloh zu trainieren und hier nicht regelmäßig wegen Lehrgängen oder Trainingsabenden in Kaiserau zu fehlen. Der Erfolg gibt ihr recht. Sie schaffte auf Anhieb den Sprung ins Frauenteam und entwickelte sich zu einer der besten Torhüterinnen der 2. Liga. Ihre Stärke auf der Linie, ihre langen Bälle und ihre spielerischen „Libero“-Qualitäten ergänzte sie im Laufe der Zeit auch um das Abfangen von Flanken im Torraum. Inzwischen stehen 118 Zweitligaspiele und elf Partien im DFB-Pokal in ihrer Vita. Lockt sie der Aufstieg in die Bundesliga? „Ich will da nicht drüber sprechen, ich rede nur vom nächsten Spiel“, sagt sie. Wohl auch ein wenig aus Selbstschutz: „Ich will nicht träumen und dann enttäuscht werden.“ Die Enttäuschung von der jüngsten 0:2-Niederlage in Nürnberg („Das war unverdient, wir hätten da nicht verlieren müssen“) hält sie für verdaut. Der Fokus liegt längst auf Ingolstadt. Zum 19. Mal in dieser Saison hat sie am Sonntag „die Ehre“, wie sie sagt, das Team mit der Kapitänsbinde am Arm auf den Platz zu führen. Dass sie die Rückennummer 26 trägt, hat keine besondere Bewandtnis: „Wahrscheinlich war seinerzeit keine andere Nummer frei.“ Allzu großen Wert auf Symbolik scheint die ehrgeizige Sarah Rolle ohnehin nicht zu legen: „Mir ist egal, was auf dem Trikot steht – Hauptsache ich spiele.“

FSV-Sechserin Maren Tellenbröker: „Der Aufstieg ist für jeden etwas sehr Besonderes“

Who the FSV is... Maren Tellenbröker?

Wer die Internetseite des FF USV Jena aufruft, findet keine Texte mehr, sondern nur noch einen kleinen Bilderbogen. Und wer strahlt einen da an? Neben Leonie Kreil auch Maren Tellenbröker, zwei Spielerinnen unseres aktuellen Zweitligateams. Beide gehörten in der Saison 2019/2020 zum letzten Aufgebot des Jenaer Universitätssportvereins, der nach dem Abstieg aus der Bundesliga aufgelöst wurde und im heutigen Gastverein FC Carl Zeiss Jena aufging. Während die aus Bayern stammende Kreil erst 2018 als 20-Jährige nach Thüringen gewechselt war, hatte die gebürtige Bielefelderin Tellenbröker diesen Schritt bereits im Januar 2016 als 15-Jährige gewagt. Der FF USV hatte der U16-Nationalspielerin, die beim SC Verl in der männlichen B-Jugend aktiv war, ein verlockendes Angebot gemacht. „Der Verein war damals Bundesligist, und ich konnte Fußball und Schule dort optimal verbinden“, erklärt Tellenbröker ihre Entscheidung, das Elternhaus in Senne und das Bielefelder Helmholtz-Gymnasium als Neuntklässlerin zu verlassen. Tatsächlich entwickelten sich beide Karrieren erfolgreich. Fußballerisch spielte sie U17-Bundesliga, wurde mit dem DFB-Team U17-Europameisterin sowie U19-Vize-Europameisterin und absolvierte 32 Frauen-Bundesligaspiele. Ihre Schullaufbahn krönte sie 2020 mit dem Abitur. Und auch das private Glück begann in Jena: Hier lernte Maren Tellenbröker ihren Freund Luis Allmeroth kennen, mit dem sie kürzlich das siebenjährige Zusammensein feierte. Zusammenfassend blickt sie zurück: „Ich bin in und mit Jena erwachsen geworden.“ Nach viereinhalb Jahren endete das Kapitel im Sommer 2020. Jena war aus der Bundesliga abgestiegen und für sie ergab sich die Möglichkeit, beim FC Twente Enschede in der niederländischen Ehrendivisie zu spielen. „Das ist interessant“, dachte sie, stellte aber rasch fest: „Das hat nicht gepasst.“ Diese Erkenntnis und vielleicht auch ein wenig ihre Heimatliebe war das Glück des FSV Gütersloh. Zum 1. Januar 2021 unterschrieb Maren Tellenbröker einen Vertrag beim Zweitligisten, aus dessen Team sie seitdem wegen ihrer starken Leistungen als Innenverteidigerin und seit dieser Saison als „Sechserin“ kaum mehr wegzudenken ist. Sich von dem als Nachwuchstalent mit insgesamt 27 U-Länderspielen logischen Traum von der A-Nationalmannschaft zu verabschieden, ist der inzwischen 22 Jahre alten jungen Frau ohne Enttäuschung gelungen. „Ich habe eben auch andere Dinge für wichtig gehalten“, sagt sie und führt immer wieder „Familie und Freunde“ als wertvollen Lebensinhalt an. Dass sie wieder in Senne lebt, ist wohl kein Zufall. Zusammen mit Luis Allmeroth (24), der als Abwehrspieler nach Stationen in Kassel und Lotte nun beim Regionalligisten SV Lippstadt unter Vertrag steht, wohnt sie direkt neben dem Elternhaus. Dort war sie gemeinsam mit zwei älteren Schwestern, die sie bereits zur Tante gemacht haben, aufgewachsen. Natürlich wird daheim viel über Fußball geredet, zumal beide – wann immer es geht – die Spiele des anderen live im Stadion verfolgen. Am Männerfußball stört Maren Tellenbröker vor allem die übertriebene Theatralik: „Da wird so viel aus kleinen Sachen gemacht, und die Jungs gehen immer so schnell aufeinander los.“ Ohne gleich Equal Pay zu fordern, hält sie die Spitzengehälter der Profis für maßlos überzogen: „Männer müssen weniger verdienen, Frauen deutlich mehr.“ Im Frauenfußball beobachtet sie mit einer gewissen Sorge die Entwicklung von ungleichen Chancen bei reinen Frauenvereinen wie dem FSV und Klubs mit Männer-Profisport als Basis. Dass die Bedingungen für Frauen professioneller werden müssen, ist ihr natürlich klar: „Niemand von uns kann vom Fußball leben. Jede von uns muss ein anderes Standbein haben oder sich aufbauen.“ Bei ihr ist es das Studium für das Lehramt an Grundschulen, das sie im 5. Semester an der Universität Bielefeld absolviert. Neben den Pflichtfächern Deutsch und Mathe hat sie Sport als Schwerpunkt gewählt. „Die Kinder geben einem sehr viel zurück, die schätzen noch die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer“, begründet sie, warum sie sich gerade für diese Schulstufe entschieden hat. Ein Praktikum an der Buschkampschule in Senne hat sie in ihrer Berufswahl bekräftigt. Es hat ihr sogar so gut gefallen, dass sie den Betrieb dort zwei Stunden pro Woche ehrenamtlich unterstützt: „Das bringt mir mehr als die Uni.“ Neben Fußball, Uni, Schule und Familie bleibt nicht viel Zeit für anderes. „Ich reise gerne und würde auch mal gerne länger und weiter weg“, sagt Maren Tellenbröker, aber oft erschweren die Saisontermine die Planung. Während sie als Jugendliche mit der Westfalenauswahl mal in Namibia war, waren zuletzt daher die belgische Nordseeküste und das Skigebiet Flachau in Österreich eher naheliegende Reiseziele. Geht es um andere sportliche Aktivitäten, stehen Badminton, Squash oder Tischtennis auf ihrer Favoritenliste. Wenn Maren Tellenbröker an diesem Sonntag in der Tönnies-Arena zum Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena antritt, wird sie einige alte Bekannte wiedertreffen. So eng, dass sie Insiderkenntnisse an das FSV-Trainerteam weitergeben könnte, sind die Kontakte allerdings nicht mehr. Und Geschenke an den Ex-Klub zu verteilen, nur weil der im Abstiegskampf punkten will, kommt schon gar nicht in Frage: „Das ist deren Aufgabe.“ Schließlich verfolgt auch sie, die schon mal aufgestiegen ist und Bundesliga gespielt hat, das aktuelle Gütersloher Ziel mit vollem Ehrgeiz: „Den Aufstieg zu schaffen und in der 1. Liga zu spielen, ist für jeden etwas sehr Besonderes. Und jetzt sind wir nahe dran und können es aus eigener Kraft schaffen.“

FSV-Torjägerin Jacqueline Baumgärtel: „Ich stelle mich nicht so gerne in den Vordergrund“

Who the FSV is... Jacqueline Baumgärtel?

Sonntag, 11. September 2022, 14.02 Uhr: Jacqueline Baumgärtel bringt den FSV Gütersloh im DFB-Pokalspiel vor über 2.000 Zuschauern gegen den mit Nationaltorhüterin Merle Frohms angetretenen Champions-League-Sieger VfL Wolfsburg mit 1:0 in Führung – die Tönnies-Arena bebt. „Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke“, blickt die 21-Jährige auch fünf Monate danach mit speziellen Emotionen auf das Highlight ihrer bisherigen Karriere als Fußballerin zurück. Dass die Partie gegen Popp, Oberdorf und Co. später mit 2:8 verloren geht, fällt da überhaupt nicht ins Gewicht. Mit solch einem Erlebnis hatte Jacqueline Baumgärtel nicht gerechnet, als sie sich vor der Saison zum Wechsel nach Gütersloh entschloss. „Ich hatte anfangs sogar etwas Angst“, gesteht die vom Regionalligisten Spvg. Berghofen gekommene Angreiferin. Die höhere Spielklasse und die namhafte Konkurrenz im FSV-Kader („Damals wusste ich noch nicht, dass Annalena Rieke weggeht“) flößten ihr Respekt ein. Und vom Naturell her ist sie nicht der offensive Hoppla-jetzt-komme-ich-Typ, sondern eher defensiv ausgerichtet. „Früher war ich relativ schüchtern. Ich habe kaum einen Satz herausgebracht“, verrät sie. Das ist heute zwar anders, aber eine vor Selbstbewusstsein strotzende Lautsprecherin auf dem Platz ist sie deswegen noch lange nicht. Dabei hätte die pfeilschnelle Außenstürmerin durchaus Grund, tonangebend zu sein. Schließlich ist sie mit sechs Treffern die bislang beste Torschützin des FSV Gütersloh, wo sie sich trotz aller Bedenken sofort einen Stammplatz eroberte. „Das freut mich natürlich“, sagt Jacqueline Baumgärtel mit der für sie charakteristischen Zurückhaltung. Statt stolze Sprüche rauszuhauen, weist sie lieber daraufhin, dass es angesichts der vielen Chancen schon mehr Saisontreffer hätten sein können. Auch zuletzt gegen den SC Freiburg II: „Da bin ich zweimal mit hohem Tempo in den Strafraum und war dann etwas überfordert.“ Mal ehrlich: Welcher männliche Zweitligafußballer würde so offen sein? Sie selbst findet eine Aussage ihrer Berghofener Trainerin Laura Marienfeld annähernd treffend: „Laura hat gesagt: Immer wenn du aufs Tor zuläufst, hörst du klatschende Affen im Kopf.“ Gemeint ist: Sie lässt sich von der Situation ablenken und nervös machen. Mit dem Fußballspielen begonnen hat Jacqueline Baumgärtel, die aus Heiligenrode stammt, als Vierjährige bei der TSG Sandershausen, einem anderen Ortsteil der östlich von Kassel gelegenen Gemeinde Niestetal. „Mein Papa war in der G-Jugend mein Trainer und hat mir vieles beigebracht.“ Im Grunde stammt sie aus einer Fußballerfamilie, denn die Mama war früher Torhüterin und auch der fünf Jahre ältere Bruder Pascal jagte dem Leder nach. Rasch wechselte sie zum KSV Baunatal, wo sie bis zur U16 bei den Jungen in der Abwehr spielte, ab 2015 lief sie mit Zweitspielrecht für die Mädchen von Hessen Kassel als Stürmerin auf. „Ich bin dafür, so lange wie möglich bei den Jungs zu spielen“, plädiert sie rückblickend für die inzwischen vom DFB favorisierte Talentförderung. Körperliche Robustheit und Nehmerqualitäten („Man ist nicht mehr so sensibel“) habe sie in Training und Spiel mit den Jungs erworben: „Und wenn man dann zu den Frauen wechselt, ist man nicht mehr die kleine Süße.“ Das Frauen-Zeitalter begann für sie 2019 beim Regionalligisten TSV Jahn Calden. 2021 erfolgte der Wechsel nach Berghofen. Nachdem es im Erstrundenspiel des DFB-Pokals eine 0:2-Niederlage gegen den FSV gab, belegte das von der Ex-Gütersloherin Laura Marienfeld trainierte Team Rang sechs in der Regionalliga und gewann den Westfalenpokal. Obwohl sie weite Teile der Hinrunde verletzt ausfiel, steuerte Jacqueline Baumgärtel 15 Treffer zum Erfolg bei. Der Anruf von Britta Hainke ließ nicht auf sich warten. „Es war immer mein Traum, mal 2. Liga zu spielen“, gab sie der FSV-Trainerin ihre Zusage, zumal das Team in Berghofen auseinanderfiel. Der Wechsel passte auch gut zu ihrer beruflichen Situation. Jacqueline Baumgärtel absolviert im zweiten Lehrjahr in Soest eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement beim Entsorger „Remondis“, dem größten deutschen Unternehmen für Recycling, Wasserwirtschaft sowie kommunale und industrielle Dienstleistungen. Dass sie dort landete, war auch ein Stück weit Zufall, denn nach Realschulabschluss und Fachabitur in Kassel hatte sie „unzählige“ Bewerbungen geschrieben und von Remondis eine Zusage erhalten. Viel Herzblut hatte Jacqueline Baumgärtel zuvor in ein Freiwilliges Soziales Jahr gesteckt, das sie an einer Sonderschule für Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen absolvierte: „Das war eine mega Erfahrung, die kann ich jedem nur empfehlen.“ Nun wohnt sie in Lippstadt, arbeitet von 7 Uhr bis 15.30 Uhr und bildet anschließend zusammen mit der Lippstädterin Emilia Deppe eine Fahrgemeinschaft zum Training. Nach dem Sieg über Freiburg ist die Stimmung im Auto wieder deutlich besser. „Wir waren in einem Tief, aber sind da hoffentlich jetzt wieder raus“, sagt die Torjägerin. Womöglich hat der Gedanke an die Bundesliga doch unbewusst gestört, auch wenn Jacqueline Baumgärtel erzählt: „Das Trainerteam hat uns gesagt, das Thema sollten wir erst gar nicht in den Hinterkopf gelangen lassen.“ Wie schätzt sie die Chance auf den Bundesliga-Aufstieg ein? „Schon hoch“, sagt sie voller Ehrgeiz. Sollt es klappen, wird sich „Baumi“, wie sie auf dem Platz kurzerhand gerufen wird, nur bedingt am Rummel in den Sozialen Medien beteiligen: „Ich schaue da rein, bin selbst aber eher weniger aktiv.“ Und dann sagt sie noch einen Satz, der bei ihr nicht nur für die Medienaktivität zutrifft: „Ich stelle mich nicht so gerne in den Vordergrund.“

Allzweckwaffe Paula Reimann: „Wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken“

Who the FSV is... Paula Reimann?

„Who the FSV is…?“ So lautet der Titel unserer neuen Print- & Digitalserie, in der wir euch unsere Spielerinnen vorstellen möchten. Ihr erfahrt viele spannende Hintergrundstories und welchen Aufwand unsere Mädels betreiben, um dem Fußballsport nachzugehen. Zum Auftakt möchten wir euch unsere Paula Reimann vorstellen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen! Darauf zu wetten, dass Paula Reimann beim FSV Gütersloh mit der Startelf aufläuft, gäbe keine gute Gewinnquote. Eigentlich immer, wenn sie nicht krank oder verletzt ist, hat sie einen Platz im Topteam sicher. Vorherzusagen, auf welcher Position sie spielt, ist dagegen fast unmöglich. Mal stürmt die 20-Jährige im gegnerischen Strafraum, mal (wie gegen RB Leipzig) soll sie die gegnerischen Angreiferinnen im eigenen Strafraum stoppen. Und mal, wie zuletzt in Sand, beginnt sie im Mittelfeld und wechselt im Spielverlauf in die Abwehrkette. „Ich spiele da, wo mich die Trainer hinstellen“, sagt die Allzweckwaffe und drückt damit aus, dass sie kein divenhaftes Gehabe an den Tag legt, wenn die Rollen verteilt werden. Ihre Vorliebe für die Position acht ist bekannt. „Aber mittlerweile sehen mich die Trainer etwas weiter hinten“, sagt sie ohne Groll. Ein wenig erinnert sie das sogar an ihre Zeit im Nationaltrikot: „Da habe ich immer in der Innenverteidigung gespielt.“ Bis zur U-17 einschließlich trug sie insgesamt zwölf Mal das Trikot mit dem Bundesadler. Damals war die aus Münster stammende Paula Reimann noch Teil des Mädcheninternats des FLVW in Kaiserau. Nach einem kurzen Gastspiel beim VfL Bochum war sie im Sommer 2017 als 15-Jährige zum FSV Gütersloh gewechselt, für den sie 27 Spiele in der U-17-Bundesliga bestritt. Schon im November 2018 debütierte sie im Frauen-Zweitligateam. Inzwischen haben sich 72 Zweitligaspiele und zehn DFB-Pokalspiele angesammelt. Damit gehört Paula Reimann, die am 21. März gerade mal ihren 21. Geburtstag feiern wird, bereits zu den erfahrenen Spielerinnen im Kader. Im Rückblick auf ihre bisherige Karriere äußert sie volle Zufriedenheit. „Natürlich hat man in jungen Jahren den Traum von Bundesliga und Nationalmannschaft, aber im Frauenfußball muss man realistisch sein.“ Das sagt Paula Reimann im Wissen, dass es nur wenigen Spielerinnen gelingt, ihr sportliches Hobby zum Beruf zu machen. „Mir war immer klar, dass ich mir ein anderes Standbein schaffen muss.“ Dass der Männerfußball andere Möglichkeiten bietet, erlebt sie in der eigenen Familie. Bruder Dominik (25), wurde in der Nachwuchsabteilung von Borussia Dortmund zu einem Top-Torhüter ausgebildet und ist nach einer Zwischenstation als Profi bei Holstein Kiel nun Stammkeeper des Zweitligisten 1. FC Magdeburg. Da drängt sich die Frage nach Equal Pay, der Gleichbezahlung von Männern und Frauen im Fußball, geradezu auf. Das Thema werde in der Familie nicht ständig diskutiert, verrät Paula Reimann. Ganz allgemein glaubt sie: „Das braucht noch einige Zeit, aber wir sind auf einem guten Weg.“ Ohne ins Detail zu gehen findet sie: „Gute Ansätze dazu sehe ich auch bei uns beim FSV Gütersloh.“ Obwohl sie eine professionelle Einstellung mitbringt, muss sie ihre Brötchen außerhalb des Fußballs verdienen. Nach dem Abitur an der Gesamtschule Kamen absolvierte Paula Reimann zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz in ihrer Heimatstadt Münster. Im August 2022 begann sie dort eine dreijährige Ausbildung zur Bürokauffrau. „Vielleicht hänge ich danach noch ein Studium dran“, überlegt sie. Nebenbei hochklassig Fußball zu spielen, ermöglichen ihr auch Arbeitgeber und Kollegen: „Die sind sehr kooperativ.“ Vor allem aber ist von ihr selbst Disziplin verlangt, denn der Aufwand für die vier wöchentlichen Einheiten ist enorm: Arbeitsbeginn ist um 7.00 Uhr morgens, Feierabend ist um 15.30 Uhr. Es bleiben ihr 45 Minuten, um sich im Elternhaus umzuziehen, etwas zu essen und aufs Training vorzubereiten. Die gut einstündige (manchmal auch längere) Autofahrt zur Tönnies-Arena absolviert sie zusammen mit den ebenfalls in Münster wohnenden Mitspielerinnen Anna Höfker und Sarah Rolle. Nach der Rückkehr am späten Abend ist der Tag so gut wie gelaufen. Warum läuft es derzeit beim FSV Gütersloh nicht so gut? „Ich habe keine richtige Erklärung“, gesteht Paula Reimann. Den Auftritt beim jüngsten 0:2 in Sand fand sie aber nicht so schwach, wie von manchen Beobachtern bewertet: „Das war auf keinen Fall eine schlechte Leistung, wir haben uns gut auf die schwierigen Bedingungen eingestellt. Aber irgendwie war klar: Wer das erste Tor schießt, gewinnt.“ Trotz der zuletzt unbefriedigenden Ergebnisse dürfe man jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken: „Wir sind in einem kleinen Loch drin und müssen uns alle zusammen da wieder raus arbeiten.“ Am besten mit einem Heimsieg über den SC Freiburg II – und am besten wie fast immer mit den Eltern auf der Tribüne und Bruder Dominik vor dem StaigeTV-Bildschirm. Interessant: Die Spiele ihres Bruders Dominik schaut sich Paula Reimann, die auf dem Spielfeld ziemlich cool daherkommt, nicht live an: „Das ist mir zu aufregend, da rutscht mir das Herz in die Hose.“

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