Wer beim FSV Gütersloh nach dem kämpferisch starken Pokalauftritt gegen Union Berlin (4:6 n.E.) und dem glücklichen 3:1-Heimsieg über den SC Sand zum Abheben geneigt hatte, der wurde am Sonntag maximal unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das Team von Daniel Fröhlich bot im ersten Auswärtsspiel der Saison beim Hamburger SV eine desolate Leistung und kassierte mit 0:6 die höchste Niederlage im 14. Jahr als Zweitligist. „Wenn man so auftritt wie wir, dann geht auch so ein Ergebnis in Ordnung“, schüttelte unser Cheftrainer nur den Kopf. Sein Team enttäuschte in nahezu allen Belangen. Gewonnene Zweikämpfe mussten mit der Lupe gesucht werden, läuferisch lag so gut wie keine Spielerin bei einhundert Prozent, im Verbund mit technischen Patzern und Abspielfehlern wuchs die Zahl der Ballverluste stetig an, und das Herausspielen oder auch nur das Erarbeiten von Torchancen schien gar nicht im Aufgabenkatalog zu stehen. Ein einziges Mal produzierte der FSV tatsächlich Torgefahr – und das in der 88. Minute: Nach einem herrlichen Zuspiel in den Hamburger Strafraum nahm Jacqueline Baumgärtel den Ball per Kopf vor HSV-Keeperin Inga Schuldt mit, traf mit dem rechten Fuß aus ganz spitzem Winkel aber nur das Außennetz. Auf dem bestens präparierten Trainingsplatz 6 im Schatten des Volksparkstadions schickte Daniel Fröhlich im Prinzip die gleiche Anfangself ins Rennen wie gegen den SC Sand. Einzige Ausnahme: Für die wegen einer Zerrung ausgefallene Celina Baum spielte Linda Preuß an. Der Gütersloher Plan, die Gastgeberinnen früh zu attackieren, vom eigenen Tor fernzuhalten und zunächst lange das 0:0 zu halten, war ganz schnell Makulatur. Schon mit seinem zweiten Angriff in der 7. Minute ging der HSV durch Vildan Kardesler mit 1:0 in Führung. Nele Schmidt hatte in hinterster Linie den Ball gegen Christin Meyer vertändelt, und weil ihre beiden Mitstreiterinnen in der Dreier-Abwehrkette, Melanie Schuster und Lilly Stojan, beide in der gegnerischen Hälfte aktiv gewesen waren, fehlte beim stark abseitsverdächtigen Pass auf die völlig frei stehende Kardesler die Absicherung. Mit qualifizierten Verteidigungsaktionen wäre auch das zweite Gegentor zu verhindern gewesen. Über die linke Abwehrflanke, wo Ronja Leubner für Celina Baum als Notnagel positioniert worden war, erfolgte ein flaches Zuspiel nach innen auf Dana Marquardt. Lilly Stojan ging ungeschickt zu Werke, was die clevere HSV-Stürmerin ausnutzte und zu Boden ging. Zwar parierte Sarah Rolle den von Mia Büchele nach rechts unten getretenen Ball, doch ließ Schiedsrichterin Christina Junkers den Foulelfmeter wiederholen, weil Rolle sich zu früh von der Torlinie wegbewegt hatte. Diesmal schoss Büchele nach links unten und es stand aus Sicht des FSV Gütersloh in der 17. Minute 0:2. Fast im gleichen Fünf-Minuten-Takt, in dem Düsenjets im tiefen Landeanflug auf den Hamburger Flughafen über das Volksparkstadion donnerten, erspielten sich die von 350 Zuschauer angefeuerten Hanseatinnen weitere Torchancen. Schon im Mittelfeld fand der der FSV mit halbherzigen Attacken und teilweise pomadigen Auftritten keinen Zugriff, und weiter hinten machte er es dem Gegner leicht. So konnte HSV-Angreiferin Christin Meyer in der 28. Minute gleich zwei im Strafraum frei stehende Mitspielerinnen bedienen, von denen eine, Dana Marquardt, das 3:0 erzielte. Immerhin versuchte sich die Gütersloherinnen vor dem Anstoß im Teamkreis noch einmal auf stärkeren Kampfgeist einzuschwören. Doch zwei Minuten später gab es den nächsten Nackenschlag: Sarah Rolle unterlief eine von Sarah Stöckmann mit Windunterstützung haarscharf vor das Tor gezirkelte Ecke, und beim Rettungsversuch auf der Torlinie fand der Ball den Weg ins Netz. Dem Vernehmen nach soll es in den Katakomben des Volksparkstadions, wo sich die Kabinen beider Teams befanden, in der Halbzeitpause laut geworden sein. Daniel Fröhlich reagierte aber nicht nur verbal, sondern auch personell: Anstelle von Merle Hokamp, Ronja Leubner und Marie Schröder standen danach Lea Bultmann, Olivia Zitzer und Jacqueline Baumgärtel auf dem Rasen. „Ich hätte auch noch mehr Wechsel vornehmen können“, machte unser Coach keinen Hehl aus seiner enormen Unzufriedenheit. Immerhin schien es so, als könne der FSV im zweiten Durchgang mit einer defensiven 5-4-1-Strategie und spürbar größerem Engagement (auffällig: Linda Preuß) erfolgreich Schadensbegrenzung betreiben – zumal die Hamburgerinnen einen Gang zurückschalteten. Doch das mangelhafte Zweikampfverhalten wurde in der 66. Minute durch Pauline Machtens erneut bestraft. Und in der vorletzten Minute konnten die Gütersloherinnen eine Flanke der starken Außenstürmerin Melina Krüger nicht verhindern, die am langen Pfosten die 6:0-Torschützin Amelie Woelki als Abnehmerin fand. „Vielleicht ist es ganz gut, dass wir am nächsten Wochenende spielfrei haben“, machte sich Daniel Fröhlich noch in Hamburg Gedanken über die Trainingsinhalte der kommenden Woche. Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass die Spielerinnen ihre Einstellung überdenken müssen. Nur mit einer deutlichen Steigerung in allen Bereichen kann der FSV am Sonntag, 15. September, um 14 Uhr im Heimspiel gegen den Aufsteiger VfL Bochum zu Punkten kommen. Hamburger SV: Schuldt – Lahr (78. Kirschstein), Hirche, Dönges (57. Braun), Stöckmann – Kardesler (70. Woelki), Büchele (78. Wrede), Machtens (70. Stoldt), Krüger – Marquardt, Meyer. Im Aufgebot: Sierra, Profé, Zamorano (Tw). FSV Gütersloh: Rolle – Stojan, Schuster, Schmidt (77. Tappe) – Tellenbröker, Hokamp (46. Bultmann) – Kappmeier, Preuß, Leubner (46. Zitzer) – Aradini (77. Wisniewski), Schröder (46. Baumgärtel). Im Aufgebot: Kılıç, Blome (Tw). Schiedsrichterin: Christina Junkers (Kaarst). Gelbe Karten: Büchele, Krüger, Wrede – Stojan, Schmidt. Chancen: 8:1 (5:0); Ecken: 5:2 (3:1). Tore: 1:0 Kardesler (7.), 2:0 Büchele (17., FE), 3:0 Marquardt (28.), 4:0 Stöckmann (30.), 5:0 Machtens (66.), 6:0 Woelki (89.).